Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Wirtschaft
Merken

Kommentar: Dem Osten geht's besser als man denkt

Die Arbeitsmärkte in den ostdeutschen Bundesländern haben kräftig aufgeholt. Doch einige Baustellen bleiben. Ein Kommentar von Nora Miethke über das Gefühl der Benachteiligung

Von Nora Miethke
 2 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die wirtschaftliche Lage in den ostdeutschen Bundesländern hat sich deutlich verbessert.
Die wirtschaftliche Lage in den ostdeutschen Bundesländern hat sich deutlich verbessert. © Monika Skolimowska/dpa

Vor vier Wochen sorgten die Dresdner Wirtschaftsforscher vom Ifo-Institut mit der Prognose für Schlagzeilen, dass die ostdeutsche Wirtschaft in diesem und im nächsten Jahr stärker wachsen wird als die gesamtdeutsche. Nun legt die Bertelsmann-Stiftung nach und führt vor Augen, wie kräftig die Arbeitsmärkte im Osten aufgeholt haben.

Die Arbeitslosenrate ist nur noch zwei Prozent höher als im Westen. Zwar liegen Löhne und Gehälter im Schnitt immer noch 15,6 Prozent niedriger, aber auch hier wird die Kluft kleiner. Alles gute Nachrichten, die die Stimmung vor den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen heben müssten. Doch zu hartnäckig ist das Gefühl, benachteiligt zu sein. Das wird zur Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland und damit auch für den Wohlstand.

Obwohl sich die wirtschaftliche Lage deutlich verbessert, nehmen das viele Menschen offenbar nicht wahr. Das zeigt sich auch daran, dass im vergangenen Jahr erstmals wieder mehr Menschen vom Osten in den Westen gezogen sind als umgekehrt. Vor allem jüngere Leute zwischen 18 und 25, die hier dringend gebraucht werden. Das muss alarmieren.

Der Hauptgrund für die Lohnlücke, die so viel Verdruss auslöst, liegt im unterschiedlichen Produktivitätsniveau. Das wiederum lässt sich durch Bevölkerungsschwund und zu viele kleine Betriebe erklären. Sie bremsen die Produktivität im Osten aus. Ansiedlungen großer Unternehmen wie TSMC, Tesla und Intel, würden nicht nur für besser bezahlte Arbeitsplätze sorgen, sondern auch bessere Entfaltungschancen für Forscher, regionale Zulieferer und unternehmensnahe Dienstleister schaffen, betonen die Autoren der Studie.

Es gilt, den Teufelskreis aus niedriger Geburtenrate und Wegzug zu durchbrechen. Das ist nicht nur Aufgabe von Politikern. Das Leipziger Leibniz-Institut für Länderkunde hat in Befragungen festgestellt, dass sich viele Schulabgänger gar nicht nach Möglichkeiten in ihrer Region umschauen. Eltern und Großeltern geben ihnen das Gefühl, sie müssten fortziehen, damit aus ihnen etwas wird. Die prägenden Abwanderungserfahrungen nach der Wende haben eine Eigendynamik bekommen. Um das hartnäckige Gefühl der Benachteiligung zu überwinden, müssen Erfolgsgeschichten aus dem Osten nicht nur lauter erzählt, sie müssen auch gehört werden. Mehr ostdeutsche Führungskräfte könnten helfen, es durch das Gefühl des Repräsentiert seins zu ersetzen.