Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Merken

Chancen über Grenzen hinweg

Der Fachkräftemangel ist kein sächsisches und auch kein deutsches Problem. Ein Aktionsplan der EU soll gemeinsame Initiativen fördern. Zuerst aber sind die Mitgliedsländer selbst gefragt.

Von Annett Kschieschan
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Sie gehören zu den gefragtesten Handwerkern: Dachdecker, die sich vor allem auch mit der Solartechnik auskennen. Auch sonst ist der Fachkräftemangel nahezu überall spürbar.
Sie gehören zu den gefragtesten Handwerkern: Dachdecker, die sich vor allem auch mit der Solartechnik auskennen. Auch sonst ist der Fachkräftemangel nahezu überall spürbar. © AdobeStock

Lange waren sie Mangelware, vor allem in Ostdeutschland. Inzwischen gibt es reichlich Jobs. Und mit den Großansiedlungen wie der TSMC-Fabrik in Dresden oder den Großforschungszentren in Ostsachsen und Mitteldeutschland werden weitere dazukommen. Allein es fehlen die Fachkräfte, die diese Stellen besetzen. Bis 2030 – so eine Schätzung – werden allein im weiten Feld der Erneuerbaren Energien EU-weit rund 3,5 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen. Sie bieten vor allem der nachwachsenden Generation vielfältige Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen und gleichzeitig Teil des Wandels der modernen Arbeitswelt zu sein.

Doch sie allein werden die große Lücke nicht ausfüllen können. Weil das Thema über Landesgrenzen hinaus relevant ist, hat inzwischen auch die EU reagiert und im Frühjahr ihren eigenen Aktionsplan zur Behebung des Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels veröffentlicht. Das Rad neu erfunden wird damit nicht – das dürfte auch kaum möglich sein. So stützt sich der Aktionsplan auch auf Bewährtes, etwa den Pact for Skills, durch den bisher EU-weit immerhin rund 3,5 Millionen Beschäftigte mit Blick auf die Anforderungen der neuen Jobs weitergebildet werden.

Zusätzlich sollen ‚unterrepräsentierte‘ Gruppen auf dem Arbeitsmarkt stärker gefördert werden. Im Fokus stehen dabei einmal mehr Langzeitarbeitslose sowie junge Menschen ohne Ausbildung. Hier hatte auch Sachsen zuletzt unter anderem über die ESF Plus-Förderrichtlinie Tandem stärkere Akzente gesetzt. Das Programm im Umfang von insgesamt rund 103,5 Millionen Euro, davon rund 38 Millionen Euro als Landeskofinanzierung vom Freistaat, richtet sich an Elternpaare und Alleinerziehende, die mit ihren Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft leben und von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Die „Unterstützung von Kompetenzentwicklung sowie allgemeiner und beruflicher Bildung“ schließt hier an und findet sich auch im EU-Aktionsplan wieder. Dort geht es darüber hinaus aber auch um die Verbesserung bestehender Arbeitsbedingungen. Denn klar ist auch: Während in einigen Branchen flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice und Sabbaticals für attraktive Konditionen sorgen, kämpfen Beschäftigte anderswo mit hohen Lebenshaltungskosten bei Mindestlohn-Regelungen und unbezahlten Überstunden.

Sachsen setzt auf Netzwerke

Sie so weit zu entlasten, dass Arbeit EU-weit gesehen auch gerechter wird, ist ein durchaus ehrgeiziges Ziel. Ähnlich sieht es beim nächsten Punkt, der „Verbesserung der Mobilität von Arbeitskräften und Lernenden innerhalb der EU auf einer gerechten Grundlage“ aus. Auch hier sind die Voraussetzungen in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich, konkurrieren die prosperierenden Metropolen um die Besten der Besten, während der ländliche Raum teilweise nicht einmal mit stabilem Internet und einer halbwegs intakten ÖPNV-Anbindung punkten kann. Ein Problem, das man ebenfalls an Beispielen vor der Haustür in Sachsen erklären kann. Letzter, aber nicht unwichtigster Punkt, auf der Agenda ist die Anwerbung von Fachkräften aus Drittländern. Ohne sie, daran besteht kein Zweifel, wird der Fachkräftemangel nicht zu beheben sein. Deutschland hat hier mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz Erleichterungen geschaffen. Ohne Bürokratie kommen diese aber auch nicht aus.

Wie also soll aus der Theorie eine Praxis werden, die noch dazu EU-weit umsetzbar ist? Zunächst haben die Mitgliedsstaaten Hausaufgaben bekommen. Sie sollen unter anderem die Lehrpläne für die allgemeine und berufliche Bildung überarbeiten, Leistungsreformen auf den Weg bringen und die schrittweise Rückkehr Langzeitarbeitsloser auf den Arbeitsmarkt unterstützen. Aber auch die Verringerung der Steuerbelastung von Zweit- und Geringverdienern steht auf der Empfehlungsliste. Ebenso wie „die Digitalisierung der Koordinierung der sozialen Sicherheit zur Erleichterung einer fairen Mobilität der Arbeitskräfte“ und der Aufbau internationaler Talentpartnerschaften.

In Sachsen ist hier etwa das Branchennetzwerk Silicon Saxony aktiv, das über das neue Projekt „MINT to be“ vor allem weibliche Nachwuchstalente für technische und naturwissenschaftliche Berufe werben will, oder über die Initiative „Weltoffene Arbeitgebermarke“, bei dem das Netzwerk Unternehmen bei der Integration ausländischer Fachkräfte unterstützt. Der Verein Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen mit seinem Portal „Welcome Saxony“ und das Intap-Netzwerk sind weitere hiesige Akteure, die sich schon seit Jahren dem Problem stellen, das künftig auch in der EU Chefsache sein soll: der Fachkräftemangel.