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Medizin geht auch digital

Digitale Versorgung für mentale Gesundheit? Prof. Corinna Jacobi erklärt, warum sie seit Jahren daran forscht.

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Digitale Medizin? Sind das Tabletten aus dem Computer? Nein, es geht viel mehr um die digitale Unterstützung der medizinischen Versorgung – bei Diagnostik, Überwachung, Behandlung oder auch Vorsorge von Krankheiten. An der Professur für Klinische Psychologie und E-Mental-Health befasst sich Prof. Corinna Jacobi gemeinsam mit ihrem Team mit diesem spannenden Thema. Erfolgreich, wie sie sagt.

Frau Prof. Jacobi, Sie gehören zu den Vorreitern bei der Entwicklung digitaler Medizinprodukte speziell für mentale Gesundheit. Warum ist Ihnen gerade dieses Thema so wichtig?

Diese Produkte sind in der Lage, eine sehr gute und wirksame Ergänzung zur bestehenden Versorgung zu bieten und auch Versorgungsengpässe und -lücken zu beheben. Zum Beispiel bei langen Wartezeiten auf Therapieplätze. Sie sind zudem sehr gut beforscht und ihre Wirksamkeit ist für ein breites Spektrum an Problembereichen und Störungsbildern im Bereich mentaler Gesundheit belegt.

Digitale Angebote sind für viele noch immer Neuland. Was ist aus Ihrer Sicht der große Vorteil?

Wesentliche Vorteile liegen in derzeit- und ortsunabhängigen und damit flexibleren Nutzung dieser Angebote und unabhängig von der Versorgungsdichte in der jeweiligen Region. Weiterhin – besonders für schambehaftete Themen, wie eben psychischer Gesundheit – bieten sie die Möglichkeit einer anonymen Nutzung. Das führt auch zu geringerer Stigmatisierung, die leider oft mit diesen Krankheitsbildern einhergeht. Zudem ist ein Teil der Interventionen auch gut an individuelle Bedürfnisse anpassbar.

Welche konkreten Beispiele Ihrer Forschungen hier an der TUD haben es mittlerweile in die medizinische Praxis „geschafft“?

In den letzten fünf Jahren haben wir beispielsweise ein großes Kooperationsprojekt mit der AOK Plusdurchgeführt, im Rahmen dessen wir Beschäftigten und Studierenden der TUD ein ganzes Paket an digitalen gesundheitsfördernden Maßnahmen zur Nutzung angeboten haben, die sich als wirksam erwiesen. Dazu gehörten Themen wie gesunde Ernährung, Umgang mit Stress, Schlafprobleme oder Perfektionismus – aber zum Beispiel auch in der Corona-Zeit die Stärkung der Resilienz im Umgang mit der Pandemie. Für unsere Ess- und Schlafstörungsinterventionen streben wir eine Zulassung als Medizinprodukt an und sind hier bereits in der Vorbereitung des Zulassungsprozesses. Zudem evaluieren wir derzeit eine App zum Umgang mit psychischen Belastungen bei Long/Post-COVID und wollen diese bald in die Versorgung einbringen.

Wie muss man sich das Verfahren zur Prüfung und Freigabe digitaler Medizin vorstellen?

Das hängt davon ab, welche Art von Produkt man zulassen möchte. Für präventive Maßnahmen ist eine Zulassung durch die Zentrale Prüfstelle Prävention vorgeschrieben, bei der umfangreiche Nachweise erforderlich sind. Für digitale Medizinprodukte ist zunächst eine CE-Zertifizierung und dann eine Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erforderlich. Diese Hürde ist sehr hoch und erfordert unter anderem vorausgehende klinische Studien. Und: Digitale Maßnahmen zur Gesundheitsförderung in Betrieben werden von den Krankenkassen anhand eines eigenen Kriterienkataloges zugelassen.

Sie haben mittlerweile rund 30Angebote entwickelt. Jetzt steht eine Unternehmensgründung mithilfe von Fördermitteln an. Warum gehen Sie als Wissenschaftlerin diesen Schritt?

Wir haben in den letzten 24 Jahren eine Vielzahl digitaler Unterstützungsangebote für vielfältige Störungen in vielen Studien entwickelt. Der überwiegende Teil davon hat sich als wirksam erwiesen. Die Entwicklungen waren aber immer an öffentliche oder private Förderungen gebunden und konnten bisher – auch aufgrund der lange Zeit fehlenden gesetzlichen Grundlage – nicht in die Routineversorgung eingebunden werden. Diese Möglichkeit ist jetzt aber endlich mit der neuen Gesetzgebung gegeben. Daher wollen wir, dass unsere Entwicklungen möglichst vielen Menschen zugute kommen und gründen deshalb ein eigenes Unternehmen für digitale Gesundheit. Dabei haben wir sehr gute Unterstützung durch dresden|exists hier an der TUD bekommen und Gründungs-Fördermittel erhalten.

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