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Das Staunen macht die Köpfe frei für die Geschichte

Erlebe die faszinierende Welt der Show China Girl, die meisterhafte Akrobatik mit der Musik von David Bowie und der Magie von West Side Story verbindet. Vom 11. bis 29. September im Sarrasani Theater am Elbepark in Dresden!

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© GUANXI PRODUCTIONS GmbH

Der Chinesische Nationalcircus gehört seit vielen Jahren zu den Stammgästen im europäischen Kulturleben. Im September 2024 eröffnet das Ensemble mit seiner neuen Show „China Girl in Dresden eine neue Gastspielreise durch den Kontinent. Diese neue Erfolgsshow verbindet chinesische Akrobatik mit der Musik von David Bowie und einer italochinesischen Romeo-und-Julia-Geschichte, die von Leonard Bernsteins „West Side Story“ inspiriert ist. Wie Corona, deren Nachwehen und die unübersichtliche globale Nachrichtenlage sowohl das Produzententeam als auch das Ensemble erst existenziell bedrohte und dann stärker gemacht hat, erzählt unter anderem Produzent und Regisseur Raoul Schoregge im Interview.

Der Produzent und Regisseur Raoul Schoregge im Interview

Raoul Schoregge, er ist der Mann hinter "China Girl". Im Jahr 2000 übernahm er die Produktion als Produzent und führt diese bis heute in Europa erfolgreich weiter.
Raoul Schoregge, er ist der Mann hinter "China Girl". Im Jahr 2000 übernahm er die Produktion als Produzent und führt diese bis heute in Europa erfolgreich weiter.

Die Show „China Girl“ sollte eigentlich schon 2020 in Prag Premiere feiern, eine Europatournee war festgezurrt, dann kam Corona. Wie haben Sie die Pandemie und deren Folgen überstanden?

"Mit einer Mischung aus verschiedenen Hilfsprogrammen, die dann ja irgendwann aufgelegt wurden, und sehr guten Partnern, die das zwischenfinanziert haben. Letztere haben in ihrer Beteiligung an diesem Projekt nicht nur das Rendite orientierte Investment gesehen, sondern auch eine Verantwortung der Kunst und den agierenden Menschen gegenüber. Die Situation in der Pandemie und danach brachte uns einen kompletten Stromabriss, und es war ein Glück, dass wir unsere Leute halten und bezahlen konnten und das Projekt nicht an dieser Stelle schon gestrandet ist. Wir hatten an unserer Basis im westlichen Münsterland zeitweise ein kleines Chinatown."

Sie haben lange Zeit mit den führenden chinesischen Circus Akademien zusammengearbeitet. Vor einigen Jahren haben Sie dann angefangen, Ihr eigenes Ensemble in Havixbeck aufzubauen. In der Situation, als internationale Flüge kaum möglich waren, war das vermutlich ein Segen?

"Absolut. Das war der einzige Grund, warum es uns in dieser Form und mit dieser Produktion noch gibt. In der Coronazeit hat sich dann auch noch etwas Spezielles entwickelt, weil wir hier in unserem Eremitendasein als Kollektiv zusammensaßen. Wir konnten nicht nach außen und mussten uns nach innen erst mal mit uns selbst auseinandersetzen. Und das hat uns allen gutgetan. Es hätte auch in die Hose gehen können, manchmal entsteht ja ein Teamkoller, der kann so ein Gebilde auch zerstören. Oder man wird noch stärker, und ich glaube, Letzteres ist der Fall gewesen."

Aber jetzt können Sie ja endlich wieder auf Tournee gehen. In „China Girl“ setzen Sie Ihr Konzept fort, asiatische und europäische Elemente miteinander zu verbinden und erzählen eine Romeo- und Julia-Geschichte zu der Musik von David Bowie. Den haben Sie sicher nicht nur wegen seines Hits „China Girl“ ausgewählt, oder?

"Ehrlich gesagt doch. Das war der Impuls. Das war ein Hit der Achtziger, ich habe meine Jugend in den Achtzigern verbracht und bin mit diesem Song aufgewachsen. Und ich habe bei dieser Show mit Hermjo Klein einen Partner, der nicht nur „Riverdance“ aufs europäische Festland gebracht hat und viele Jahrzehnte der Veranstalter von Udo Lindenberg war. Hermjo Klein hat auch die damalige „China Girl“- Tour mit Bowie veranstaltet.

So haben wir uns vorgenommen, eine Show zu kreieren, die die Musik von Bowie mit dem Können der chinesischen Artisten verbindet. Die Geschichte ist „Romeo und Julia“ angelehnt. Aber ich bin vor allem ein großer Bernstein-Fan und habe immer gesagt, ich möchte irgendwann in meinem Leben mal die „West Side Story“, Leonard Bernsteins moderne Musical- Adaption dieses Themas inszenieren. Aber das macht man natürlich nicht, weil man sich da nicht rantraut – außer man ist Steven Spielberg. Deshalb habe ich das Konzept der „West Side Story“ auf zwei andere ethnische Gruppen in New York übertragen, nämlich auf die Italiener in Little Italy und die Chinesen in Chinatown. Und ich bin dann noch einen Schritt weitergegangen und habe gesagt: Ich tausche jede Bernstein-Musik inhaltlich und atmosphärisch aus gegen einen Bowie-Song. Aus „America“ ist zum Beispiel „This Is Not America“ geworden. Und „Tonight“ wurde eben auch „Tonight“ – aber von Bowie. Und wir wollten das auch nicht einfach nur Playback machen, sondern wie bei einem Musical mit Livemusik zu der Akrobatik. Mit dem international renommierten Musiker Adrian Werum haben wir eine Idealbesetzung für die Umarbeitung der Bowie Klassiker für eine Theaterbühne gefunden. Aber wenn wir jetzt einen Sänger hätten, würden wir immer gegen die Pop Ikone Bowie verlieren, weil die Leute sagen würden: Der singt wie Bowie, sieht aber nicht so aus. Oder er sieht aus wie Bowie, singt aber nicht so. Deshalb haben wir das komplett geändert und Musical Sänger:innen genommen, die als Charaktere mit der Geschichte verwoben sind und die von einer Band des Orchester der Kulturen als Straßenmusiker musikalisch begleitet werden."

Der Maskenmann aus der Szechuan Oper ist ein Synonym für die über 2.000 Jährige Kulturformen Chinas darstellenden Kunst. Ein mystisches magisches Handwerk, was im Reich der Mitte seit Generationen nur vom Meister an den Schüler weitergegeben und nun auf dem Soundtrack Pophymne UNDER PRESSURE präsentiert wird.
Der Maskenmann aus der Szechuan Oper ist ein Synonym für die über 2.000 Jährige Kulturformen Chinas darstellenden Kunst. Ein mystisches magisches Handwerk, was im Reich der Mitte seit Generationen nur vom Meister an den Schüler weitergegeben und nun auf dem Soundtrack Pophymne UNDER PRESSURE präsentiert wird. © GUANXI PRODUCTIONS GmbH
Bei solch einer Höhe sollte man hoch konzentriert und nicht schwindelfrei sein.
Bei solch einer Höhe sollte man hoch konzentriert und nicht schwindelfrei sein. © GUANXI PRODUCTIONS GmbH
In der Balance zu sein bekommt bei solchen Tätigkeiten mit dem Kopf gleich eine andere Bedeutung.
In der Balance zu sein bekommt bei solchen Tätigkeiten mit dem Kopf gleich eine andere Bedeutung. © GUANXI PRODUCTIONS GmbH

Man hört also Bowie nie im Original?

"Man hört ihn am Ende. Beim großen Finale, wo alle auf der Bühne sind, läuft auch noch mal seine „China Girl“-Version der 80er Jahre als Original. Das ist sozusagen die Reminiszenz, die Verneigung an den großen Meister. Dazwischen ist alles selbst gespielte, neu arrangierte Livemusik seiner Songs. Neu, modern und zeitgemäß, aber voll vom Spirit dieses Jahrhundertkünstlers David Bowie."

Welchen Zugang hatten die Künstlerinnen und Künstler zu Bowie? Ist der in China ähnlich bekannt wie hier?

"Gar nicht so. Aber nicht nur bei den Chinesen nicht. Ich habe das selbst bei den westlichen Künstlern einer anderen Generation gespürt, dass man zwar den Namen Bowie kennt – so wie man auch weiß, wer die Rolling Stones sind. Aber das ist nicht wirklich präsent gewesen. Umso wahnsinniger war dann aber die Reaktion – und das spricht dann auch für das musikalische Erbe dieses Ausnahmekünstlers Bowie –, dass er sie alle total geflashed hat, in dem Moment, in dem sie sich mit der Musik auseinandergesetzt haben. Und Bowie ist eben auch sehr speziell. Das ist nicht nur ein Stil, der hat so viele unterschiedliche Sachen gemacht. Und dadurch hat er auch unsere jungen Künstler sehr begeistert."

Sie haben schon gesagt, dass es diesmal in der Handlung sehr multikulturell zugeht, die eine Hälfte der Protagonisten ist chinesisch, die andere italienisch. Das spiegelt sich wahrscheinlich auch in der Besetzung wider.

"Absolut, die Besetzung ist genauso, und das ist auch das Besondere. Ich habe als westlicher Clown schon ein paarmal in den Shows des Chinesischen Nationalcircus der letzten 2 Dekaden mitgespielt, weil klar war, dass sich die chinesischen Künstler in den Clownsrollen nicht so bewegen können. Da gab es auch schon eine entsprechende Notwendigkeit. Hier ist es jetzt so, dass wir europäische und asiatische Künstler haben. Teilweise bis zu 12 Nationen arbeiten hier auf einer Bühne unter einem Theaterdach. Nicht zuletzt, weil wir vom Clash of Cultures erzählen, haben wir natürlich auch das uns sehr deutlich gewordene Asiaten- Bashing, das es zu Beginn der Coronazeit gab, mit einfließen lassen. Insofern war Corona auch noch ein zusätzlicher Teilchenbeschleuniger in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema."

Sie beziehen sich darauf, dass zu Beginn der Pandemie Asiaten quasi persönlich für Corona verantwortlich gemacht wurden.

"Ja, genau. Das ist uns selbst auch passiert. Wir waren noch bis Ende Februar 2020 mit einer anderen chinesischen Produktion auf Tournee, und da ist es uns so gegangen, dass Hotels abgesagt haben. Es geht in „China Girl“– wie in der „West Side Story“ – auch um Ausgrenzung und den Umgang einer Gesellschaft mit diesem Thema. Es geht um die wesentliche Erkenntnis, dass wir als Menschheit nur eine gemeinsame Zukunft haben können. Und ich glaube, das ist aktueller denn je. Das haben auch die Auftritte in diesem Frühjahr in Hamburg und 40 weiteren Städten in Europa mit dieser Show deutlich gezeigt. Das Publikum fühlte sich in seinen Ängsten und Hoffnungen abgeholt und feierte die Vorstellungen fast täglich mit stehenden Ovationen von bis zu 10 Minuten. Ich bin mir daher sicher, dass die Show emotional wirklich sitzt. Um an diesen Punkt zu gelangen hat uns vielleicht in den letzten Jahren auch dieses auferlegte Ausharren und Kämpfen, mit sich selbst Beschäftigen, Wachsen und Weiterentwickeln unterstützt."

Sie haben die Clownselemente erwähnt, die Sie immer wieder in den Programmen haben. Gibt es die diesmal auch?

"Ja klar. Es gibt in der „West Side Story“ den Officer Krupke. Und es gibt in „Romeo und Julia“ den Mönch, den ich so ein bisschen als einen Don Camillo Verschnitt habe. So habe ich Essenzen aus beiden Figuren clownesk einfließen lassen. Auch dort gibt es einen Clash of Cultures, und zwar zwischen Klerus und Exekutive."

Artistik und Clownerie sind sehr traditionelle Kunstformen, auf der anderen Seite haben Sie sich auch schon neueren Medien geöffnet. Wie multi- medial ist „China Girl“?

"Noch multimedialer. Wir haben eine LED-Wand von 50 Quadratmetern in der Show. Es sind Filme vorproduziert worden, die als Verbindungsglied zwischen den einzelnen Bühnenbildern fungieren. Und als Hintergrund zeigen wir darauf animierte Kunstwerke. Es gibt viele Erlebniselemente in dieser Show. Auch das ist gewachsen in den letzten Jahren. Das war am Anfang noch nicht so ausgereift und ist dann immer weiterentwickelt worden. Und jetzt ist es halt ein multimediales Gesamtkunstwerk. Intern sprechen wir gerne bei der aktuellen Version von China Girl 4.0."

In Ihrem Podcast „Halbzeit – die Zwischenbilanz“ haben Sie kürzlich von einer gewissen Überalterung Ihres Publikums gesprochen, die langsam zum Problem werde. Wäre da nicht Hip- Hop passender als Bowie, um jüngere Zuschauer zu gewinnen?

"Ja, aber das bin ja nicht ich. Das muss auch eine gewisse Authentizität haben. Ich mache Sachen, die ich gut finde. Und wenn ich damit erfolgreich bin, ist das großartig. Es gibt halt zwischen mir und Bowie eine Geschichte. Und die „West Side Story“ war schon immer eine Geschichte, die ich gerne erzählen wollte. Und ich denke, dass die Zuschauer das merken und mir das abnehmen.

Ich glaube auch, dass wir bei den Zuschauern noch eine Schnittmenge haben.

Dass mein Publikum alt wird, soll nicht despektierlich klingen. Das war lange Jahre ein finanzieller Rückhalt, das darf man nicht vergessen. Das waren Menschen aus dem Bildungsbürgertum, denen hat es nicht weh getan, 50 Euro+ fürs Theater oder eine Show auszugeben. Die waren immer interessiert.

Auf der anderen Seite fällt es uns nach Corona jetzt aber selbst in einer Zeit ohne Restriktionen auf die Füße. Denn auch in der aktuellen Gesamtsituation, gesellschaftlich und politisch merken wir, das sind ganz vorsichtige Menschen, die verunsichert sind und jetzt auch nicht gerne rausgehen. Da war es für uns fast eine Notwendigkeit, uns da anzupassen. Und ich glaube, dass die Menschen, die mit Bowie noch was anfangen können, eher bereit sind, Geld für eine Circusshow auszugeben als die ganz junge Rap- und Hip-Hop-Abteilung. Obwohl die selbstverständlich auch immer eingeladen sind."

Was bei allen Modernisierungen gleich bleibt, sind viele Akrobatiknummern, die ja im Zentrum des Ganzen stehen. Lassen sich mit scheinbar unkaputtbaren Klassikern wie der Teller Jonglage oder der Stuhlpyramide noch moderne Geschichten erzählen?

"Das ist jetzt gerade noch mal ein Schritt mehr, dass es auch eine faszinierende Geschichte ist. Wenn Sie eine Schlangenmädchen-Nummer zu „Space Oddity“ machen oder eine wunderbare Version von „Modern Love“ für eine Stuhlpyramide kreieren, entwickeln sich ganz neue Bilder. Da gibt es immer wieder neue Möglichkeiten der Interpretation. Klar, am Ende ist es immer Circus, und im Endeffekt geht es immer um Balance und darum, dass jemand was geübt hat. Aber das Staunen macht die Köpfe der Zuschauer vielleicht auch frei, um sich den Intentionen der Geschichte zu widmen. Und das ist das, was ich immer will. Ich will Menschen berühren, und ich will was anderes erzählen, was neben dem Mainstream läuft. Und trotzdem bin ich massentauglich. Und ich glaube, dass uns das hier ganz gut gelungen ist."

Hier gelangen Sie zu den Tickets

Wann: 11.09.2024 – 29.09.2024
Wo: CHINA GIRL im Sarrasani Theater am Elbepark

Die Tickets erhalten Sie ab sofort über den sz-Ticketservice, www.koka24.de und unter www.chinagirl-show.com.

Erleben Sie die atemberaubende Akrobatik und die faszinierende Kultur des Chinesischen Nationalcircus live!