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Als Gustl Klose die Tanzsäle swingte

Im Lausitzer Almanach erinnert sich der hochbetagte Wahl-Kamenzer an die Anfänge nach dem Krieg. Mit viel Musik.

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© privat/Lausitzer Almanach

Gustav Klose*

Kamenz. Ich hatte das Glück, in Kamenz (nach dem Zweiten Weltkrieg – d.R.) für die kulturelle Arbeit Musiker zu finden, die ich für die Bildung eines Sextetts benötigte. Die meisten dafür kamen aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Zunächst habe ich ein kleines Orchester gebildet, um in der Öffentlichkeit Musik zu machen. Später, als die HO schon bestand, wuchs das Orchester auf zehn bis zwölf Personen, und wir begleiteten musikalisch die HO-Modenschauen. Unsere Auftritte waren in der HOGaststätte Stadt Dresden, für die wir mit dem Leiter Verträge abschlossen. Wir spielten die übliche deutsche Musik, doch ließen wir auch den aus Amerika kommenden modernen Swing einfließen. Das alles konnten wir als Orchester gut darbieten, sodass die Leute sehr zufrieden waren. Wir spielten nicht nur in Kamenz zum Tanz auf, sondern waren auch im Umland bei den Leuten gern gesehen. In Dresden gastierten wir sogar auf dem Weißen Hirsch.

Gustav Klose wurde am 20. August 1916 in Schlesien geboren. Er lernte Buchdrucker und wurde Berufsmusiker. Nach dem Krieg landete er in Kamenz, wo er die beliebte Gustl-Klose-Band gründete. 1955 ging Klose in den Westen. Mittlerweile lebt er mit seiner zw
Gustav Klose wurde am 20. August 1916 in Schlesien geboren. Er lernte Buchdrucker und wurde Berufsmusiker. Nach dem Krieg landete er in Kamenz, wo er die beliebte Gustl-Klose-Band gründete. 1955 ging Klose in den Westen. Mittlerweile lebt er mit seiner zw © Matthias Schumann

Oftmals waren wir mit der Kamenzer Tanzschule Mehnert unterwegs, die im Jahr mehrere Bälle organisierte. Unvergesslich sind unsere Auftritte, die wir bei den Abiturientenbällen der Lessingschule gestalteten. Mit unserem Orchester hatten wir Glück, denn es gab sehr viele Stammmitglieder, die auch die Kamenzer Stadtkapelle bildeten. Die Klarinette und das Saxofon spielten Martin Techritz, Hubert Büttner, Georg Haake; weiterhin Werner Pietsch (Trompete, Akkordeon), Helmut Göpfert (Oboe), Fritz Barth (Klavier, Akkordeon), Karl Gostrau (Trompete), Rudolf Protzel (Posaune), Heinz Atzler (Kontrabass). Unser Orchester formierte unter dem Namen „GK“ für „Gustl Klose“. Ich selbst spielte Saxofon, Violine und Cello.

Wir hatten uns in Kamenz und Umgebung tatsächlich einen Namen gemacht. Die Leute waren begeistert, wir haben immer vor vollen Sälen gespielt. Als wir einmal nach Oßling kamen, war das Gasthaus von großen Menschentrauben umringt, so dass wir kaum mit unseren Instrumenten in den Saal gelangten. Wir wurden auch von den Gaststätten stets mit einem Imbiss versorgt, was für uns wichtig war.

Reges Kulturleben

In Kamenz gab es nach dem Krieg eine sehr ausgeprägte Kulturarbeit, woran Eva Büttner hohen Anteil hatte. Sie war für meine Begriffe eine integere, kompetente Frau mit großen sachlichen Kenntnissen in Kultur und Kunst. Das betraf die Literatur und besonders die Musik. Ich kann das beurteilen, weil ich wöchentlich mindestens einmal mit ihr wichtige kulturelle Dinge zu besprechen hatte. Sie sorgte dafür, dass hier ein reges Kulturleben stattfand. So fanden Veranstaltungen mit Kammersänger Kurt Böhme aus Dresden im Hotel Stadt Dresden statt, oder es gab Liederabende mit Frau Hellwig und Frau Werthen in der Lessingschule. Aber auch Orchesterkonzerte mit der Dresdner Philharmonie gehörten zum Programm, was im Haus Stadt Dresden unter hoher Beteiligung der Kamenzer Bevölkerung stattfand.

Das Interesse an Kultur war zur damaligen Zeit in Kamenz sehr hoch. Das ist Eva Büttner zu verdanken, die dafür sorgte. Sie hatte sogar den Dichter Jewtuschenko aus der Sowjetunion zu einem literarischen Abend in unsere Stadt eingeladen. Diese Veranstaltung fand im kleinen Saal des Hotels Goldner Hirsch statt, wobei ich mit Erhard Käppler zusammen die musikalische Umrahmung lieferte. Frau Büttner war immer dabei, wenn in Kamenz die Stadtkapelle auf hohem Niveau Konzerte gab. Oftmals haben wir mit unserer kleinen Bigband-Kapelle unter meiner Leitung den Leuten zum Tanz aufgespielt, woran mein Freund Fred Jenderko einen beachtlichen Anteil hatte. Ich weiß noch, wie sich Eva Büttner an unseren musikalischen Beiträgen erfreute. Das beflügelte uns. Einmal lobte sie mich, wie gut das Saxophon in unserer Musik zur Geltung komme. Meine guten Erinnerungen an Eva Büttner, ihre Leistungen und ihr Wirken haben mich stets, bis ins hohe Alter begleitet. Auch die Bodenreform und was ihr manchmal dadurch zugeschoben wird, war keine Erfindung von ihr. Und was die Hutberg-Säulen anbelangt, so hat sie sich darum bemüht, sie zu erhalten. Sie wollte den Abriss nicht und hatte mit dem sowjetischen Major Kipitschow manchen Disput, um den Abbau der Säulen zu verhindern.

Wir haben auch oft vor Soldaten musiziert, besonders zur Freude der Offiziere der Roten Armee, später Sowjetarmee. Das erfolgte nicht in Königsbrück in ihren Objekten, sondern hier in Kamenz im kleinen Saal vom Stadt Dresden, auf der Haberkornstraße im Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft oder in der Kaserne. Die Kasernierte Volkspolizei holte das Orchester Kurt Henkels aus Leipzig nach Kamenz, das hier Erfolge feierte. Aber auch ich trat mit meinem Orchester mehrmals in der Kaserne vor den Mannschaften auf. Der damalige Kommandeur Oberst Leopold veranlasste, dass sein Adjutant Günter Lemke mich zu dieser Veranstaltung mit dem Dienstauto in die Kaserne holte, wo ich begrüßt wurde, als ob ich der Kulturminister wäre.

Auch bei den Jüngeren gern gesehen

Als die DDR gegründet wurde, haben wir selbstverständlich mit unserem Orchester darauf reagiert und zu Parteiveranstaltungen und anderen Gelegenheiten aufgespielt. Auch für die Volkssolidarität haben wir musiziert. Sehr oft haben wir für die dort erschienenen Rentner Musik gemacht. Doch auch bei den Jüngeren, zum Kinderfasching, waren wir Musiker gern gesehen. Ich kann sagen, dass unsere Musik zur Freude der Menschen stets gefragt war. Wir hatten immer einen vollen Kalender. Wichtig war in den Jahren nach dem Krieg, dass wir mit unserer Musik den Menschen Auftrieb zu neuen Taten lieferten. Und die Kamenzer waren fleißig, um aus dem Elend herauszukommen.

Doch Mitte der 50er Jahre spitzte sich die Situation für mich zu. Es gab damals einige Gründe für mich, warum ich in den Westen ging. Einmal war ich dem Staat durch meinen Erfolg, der mir auch ein gutes Konto einbrachte, unbequem geworden. Und zum anderen war für das sozialistische System unsere Musik zu westlich orientiert. Doch Kamenz war in den zehn Nachkriegsjahren zu meiner zweiten Heimat geworden. So kam es, dass ich mich nach dem Tod meiner ersten Frau auf die Kamenzer Wurzeln besann. Gertrud sagte selbst einige Zeit vor ihrem nahen Tode 1992 zu mir: „Bleib nicht allein, denn in Kamenz lebt unsere gute Freundin Agnes-Ingeborg, die dich gut mag!“ So holte ich sie 1993 in den Westen und wir heirateten. Jetzt sind wir schon wieder mehr als drei Jahre in Kamenz, wo wir im hohen Alter unseren Lebensabend verbringen. Für Agnes-Ingeborg bedeutete es, in ihren Geburtsort zurück kehren zu können und für mich war es die Heimkehr in meine zweite Heimat.

protokolliert von Dr. Dieter Rostowski